Self-Set-Pay bei Zeilenwerk: Part I
Der erste Teil unserer Serie rund um unser Self-Set-Pay-Modell.
Mit der Ansage, dass bei Zeilenwerk die Mitarbeitenden ihre Löhne selber wählen (als Fachbegriff self set salaries oder self-set-pay) haben wir in der Vergangenheit einiges an Staub aufgewirbelt.
Gerne nehmen wir die aktuelle Lohnrunde zum Anlass uns nochmals einige (kritische) Gedanken zu dem Thema zu machen und in drei Blogbeiträgen das Thema nochmals aus einer objektiven und subjektiven Betrachtungsweise zu beleuchten.
Part I: Das Warum
Wieso selber gewählte Löhne in unserem Kontext Sinn ergeben
Selbst gewählte Löhne, ein Konzept, bei dem Mitarbeitende ihr eigenes Gehalt durch einen Prozess geführt festlegen, sind in den letzten Jahren prominenter geworden.
Einige Unternehmen (eine coole Sammlung internationaler Beispiele gibt es hier) experimentieren mit diesem Konstrukt, um Fairness und Transparenz in der Vergütung zu fördern. Andere schreiben sich vor allem das Thema Unternehmertum auf die Fahne. Aber macht dieses Modell wirklich Sinn?
Im Folgenden das, was als «objektive» Sichtweisen publiziert wurde:
Die positiven Aspekte
Wissenschaftliche Studien wie die von Murphy und Jensen (2011) zeigen, dass Mitarbeiter:innen, die an der Festlegung ihres Lohnes beteiligt sind, engagierter und motivierter sind. Sie empfinden ein höheres Mass an Autonomie und Verantwortung.
Die Selbstbestimmung von Gehältern kann die Lohnunterschiede verringern und die Lohntransparenz erhöhen. Unternehmen wie die US-Firma Buffer haben transparente Gehälter eingeführt und berichten von einer positiven Wirkung auf die Unternehmenskultur.
Die kritischen Stimmen
Ein Hauptkritikpunkt an selbst festgelegten Gehältern ist das Risiko der Über- oder Unterbewertung. Wie eine Studie von Corgnet et al. (2015) zeigt, neigen manche Menschen dazu, sich selbst über oder unter dem Marktwert einzuschätzen, was zu Unzufriedenheit oder finanziellen Problemen führen kann.
Es besteht auch das Risiko, dass dieser Ansatz zu internen Konflikten führen kann. Wenn ein Mitarbeiter ein höheres Gehalt als ein anderer in einer ähnlichen Position fordert, kann dies zu Neid und Unstimmigkeiten führen.
Die Voraussetzungen
Dan Price, CEO von Gravity Payments, der das Modell selbst implementiert hat, sieht in der Selbstbestimmung von Gehältern einen revolutionären Ansatz zur Steigerung von Mitarbeiterzufriedenheit und Gleichheit.
Der bekannte Organisationspsychologe Adam Grant warnt wiederum beispielsweise vor den potenziellen Fallstricken und argumentiert, dass eine klare Struktur und sorgfältige Umsetzung erforderlich sind, um das Modell erfolgreich zu machen.
Unser Fazit nach 2.5 Jahren Self-Set-Salaries
Im Zentrum unserer eigenen Überlegungen zur Einführung von selber gewählten Löhnen stehen nebst der Abbildung unserer Selbstorganisation (als Servicedienstleisterin machen Löhne rund 90% unserer Kosten aus) auch das Streben nach einer agilen Lösung für echte Diversität der Mitarbeitenden von Zeilenwerk. So stellt das Abbilden eines universitären Master-Abschlusses in der Schweiz gegenüber einem abgebrochenen Bachelor-Studium im Ausland unter gleichzeitiger Berücksichtigung der absolut ebenbürtigen Arbeitsleistung, die meisten Lohnmodellen vor schier unlösbare Herausforderungen.
Die Verabschiedung von einem starren, algorithmischen Modell in einen agilen, fliessenden Prozess hat dem Abhilfe geschaffen und erlaubt es uns heute, auf genau diese Diversität einzugehen, ohne dabei zu sehr in übliche Bias-Muster zu fallen, in denen die lauteren Stimmen auch die höheren Löhne erhalten.
Zugegebenermassen: Auch wir schaffen das noch nicht perfekt, haben aber dank peer-Feedback die Möglichkeit, kontrollierend auf individuelle Fälle der Über- oder Unterschätzung einzugehen.
Nicht zu unterschätzen ist dabei die von Adam Grant angesprochenen Anforderungen hinsichtlich Prozesssicherheit und Etablierung, bzw. Erhaltung der psychologischen Sicherheit durch aktive Begleitung des Prozesses. Gerade neue Teammitglieder erleben bei ihrer ersten Selbsteinstufung eine steile Lernkurve, was gut begleitet sein muss.
Nach wie vor schauen wir unseren Prozess als ein sich im Wandel befindendes, stetig verbesserungsfähig Konstrukt und «living prototype» an. Auch aus diesem Grund haben wir uns entschieden, unser Modell zur Verfügung zu stellen und für Interessierte Parteien eine Schritt für Schritt Anleitung zu kreieren. Diese stellen wir euch dann im Part II der Serie vor.